Nach dem Harvester - Verlust und Versöhnung in der Natur
Ep. 09

Nach dem Harvester - Verlust und Versöhnung in der Natur

Episode description

In dieser Folge der Hängematten-Perspektive geht es um einen Waldort, der einst voller Verbundenheit war – und plötzlich kaum wiederzuerkennen.

Unter der Rubrik 🌲 WaldLive lade ich dich ein auf einen ganz persönlichen Spaziergang, bei dem es um mehr geht als um Bäume: Es geht um Trauer, Wandel und eine stille Wiederannäherung.

Ich nehme dich mit zu einem Ort, an dem ich früher oft Rast gemacht habe – bis der Forst kam. Ich erzähle, wie mich das damals mitgenommen hat und warum ich nie wiederkommen wollte. Und wie ich dann doch irgendwann wieder dort stand.

Wie immer ist die Folge ungeschnitten und direkt aus der Natur – mit Vogelstimmen, gelegentlichem Regen und dem, was mich im Moment bewegt.

Du erfährst,🌱 warum Fingerhut manchmal mitten im Wald blüht,🌾 wie sich ein scheinbar zerstörter Ort in etwas Neues verwandeln kann,🪵 und weshalb es sich lohnt, immer wieder hinzuschauen.

Wenn du dir eine kleine Auszeit für den Kopf gönnen willst, bist du hier richtig.

🎧 Jetzt reinhören, zurücklehnen und auftanken.


Gab es einen Moment, der hängen geblieben ist – oder eine Frage, die nachhallt? Ich freue mich über deine Rückmeldung, egal ob lang oder kurz.

Du kannst mir schreiben:

💌 E-Mail an haengematte@hanjo-meinhardt.de
🐘 Mastodon: @waldcoach@dresden.network
💼 oder über LinkedIn

Ich lese mit – und ich antworte.

Vielleicht entsteht daraus ja ein kleiner Waldpfad von Gedanken.

Download transcript (.srt)
1:08

Willkommen zurück zur Hängemattenperspektive.

1:13

Ich bin heute an einem Platz, der für

1:20

mich persönlich eine besondere Bedeutung hat.

1:26

Es ist ein Waldstück hier in der

1:35

Nähe, wo ich wohne.

1:38

Und es ist für mich ein besonderer Platz,

1:41

weil ich hier vor ungefähr zwei Jahren, als

1:48

ich wieder angefangen habe, regelmäßig in die Natur

1:53

zu gehen und ganz bewusst und gezielt in

2:00

der Natur zu sein und mit der Natur

2:02

zu sein, mich wieder als Teil der Natur

2:04

zu fühlen, und das ist ein Platz, wo

2:08

ich damals ganz häufig vorbeigekommen bin, wenn ich

2:12

ein bisschen längere Spaziergänge gemacht habe.

2:15

Da kam ich hier immer vorbei und habe

2:17

mich hier hingesetzt unter eine große Kiefer und

2:22

habe eine kleine Pause gemacht, habe was gegessen,

2:27

was getrunken und einfach so ein bisschen die

2:32

Umgebung auf mich wirken lassen.

2:38

Und dann ist allerdings was passiert, nämlich dann

2:43

kam der Forst hier durch, und ich habe

2:49

es ja nicht gewusst, ich weiß ja nicht,

2:51

wo die hier so Waldarbeiten machen, und dann

2:54

kam ich jedenfalls mal wieder auf den Spaziergang

2:56

hier und damals habe ich hier echt im

3:02

Wald gesessen und ich habe geheult und habe

3:08

mir gesagt, hier komme ich nie wieder her,

3:11

weil es für mich in dem Moment so

3:13

furchtbar und so schmerzhaft war, zu sehen, wie

3:16

viele von den Bäumen hier weggesägt worden waren,

3:20

wie der Weg, den ich lang gegangen bin,

3:22

ganz tiefe Spuren von den Bulldozern und Waldmaschinen

3:29

hatte, mit denen hier durchgefahren wurde.

3:32

Und da stand halt irgendwo auch noch so

3:35

ein Baggerding rum.

3:38

Ich war einfach unendlich traurig und unendlich wütend.

3:44

Ich habe damals wirklich gesagt, ich gehe hier

3:47

nie wieder her, das wird nie wieder mein

3:49

schöner Waldpausenort werden.

3:54

Und wahrscheinlich würden viele Menschen, die jetzt hier

3:58

vorbeikommen oder die jetzt hier an diesen Ort

4:00

kommen und sich das angucken, die würden sagen,

4:02

so ein Nutzwald, so ein Forst ist jetzt

4:08

nicht gerade hübsch.

4:10

Ich höre halt im Hintergrund leise auch eine

4:11

Straße rauschen.

4:13

Ich finde diesen Ort wunderschön und ich komme

4:19

hier wieder regelmäßig her.

4:22

Ich komme hierher, weil ich super neugierig bin,

4:27

neugierig zu erfahren, was sich verändert hat, was

4:32

sich verändert hat, ohne dass der Mensch Einfluss

4:36

nimmt.

4:38

Und ich bin immer noch unglaublich erstaunt.

4:43

Vor anderthalb Jahren waren hier Waldarbeiten und es

4:46

sah hier wirklich aus wie ein Schlachtfeld.

4:50

Der Boden war aufgerissen, es war alles zerfahren

4:55

und man hat förmlich die Motorsägen noch klingen

5:00

hören.

5:02

Und jetzt zwitschern hier einfach die Vögel.

5:06

Es ist gerade eine wunderschöne Abendstimmung und ich

5:11

sitze auf einem von diesen Baumstümpfen, die vor

5:14

anderthalb Jahren gefällt worden waren.

5:18

Er ist ja nun mal da.

5:20

Ich kann es nicht ändern, das ist der

5:21

erste Teil, den ich hier an diesem Ort

5:26

gelernt habe.

5:27

Ich bin natürlich wieder hier langgegangen.

5:30

Irgendwann bin ich, da habe ich einfach diesen

5:33

Weg eingeschlagen, bin hier vorbeigekommen.

5:37

Und in dem Moment habe ich dann letztes

5:39

Jahr, das war letztes Jahr im Herbst, irgendwann

5:41

habe ich schon gedacht, boah, es hat sich

5:43

ja ganz schön verändert.

5:44

Es sieht gar nicht mehr so schlimm aus.

5:47

Die schlimmsten Reifenspuren waren weg und es sieht

5:52

jetzt halt hier aus wie auf einem Platz,

5:53

wo Holz gemacht wurde.

5:54

Es liegt ganz viel Kleinholz, das Geäst liegt

5:56

rum und es ist halt sehr licht, weil

6:01

es ist halt kein geschlossenes Kronendach mehr.

6:03

Es ist eine tiefere Plantage, von daher ein

6:08

richtig geschlossenes Kronendach gab es hier jetzt sowieso

6:11

nicht.

6:14

Aber es ist sehr licht geworden an der

6:16

Stelle und es schafft aber eben auch Chancen.

6:19

Ich finde es halt im Moment total spannend,

6:22

hier immer wieder mal herzukommen.

6:25

Ich kann mich hier auch wieder fallen lassen,

6:28

hänge hier auch regelmäßig meine Hängematte hin und

6:32

genieße einfach so ein bisschen, wie sich der

6:35

Ort hier verändert und mit Sicherheit früher oder

6:40

später auch erholen wird.

6:45

Im Moment sieht es hier, ja es ist

6:49

halt sehr trocken, obwohl es in den letzten

6:50

Tagen immer mal geregnet hat.

6:53

Das ist nicht ungewöhnlich eigentlich.

6:56

Ja, der Boden war vor den Waldarbeiten komplett

7:02

bemoßt, ganz weich, ganz grün.

7:05

Davon ist jetzt hier nicht mehr so viel

7:08

zu sehen.

7:09

Das merkt man einfach, wo jetzt nicht Stellen

7:12

sind, wo regelmäßig Schatten sind, ist das Moos

7:15

inzwischen auch verschwunden.

7:18

Da hat sich der Boden verändert.

7:21

Dafür sind halt an vielen Stellen Gräser rausgekommen.

7:23

Ja, so kleine Süßgräser, so ganz feine, zarte,

7:28

sind jetzt an vielen Stellen rausgekommen.

7:33

Der Fingerhut gedeiht jetzt hier wunderbar.

7:37

Der liebt solche Stellen, wo es trocken ist,

7:41

wo so ein lockerer Boden ist, mit Nadelhumus,

7:48

wo viel Licht hinkommt.

7:51

Ist eigentlich ja eher eine typische Wald-Rand

7:53

-Pflanze, würde ich jetzt mal sagen.

7:56

Hier wächst sie jetzt eben mitten im Wald.

8:00

Allgemein kann man den Fingerhut im Wald sehr

8:05

oft an solchen Einschlagflächen finden, an Rückegassen findet

8:11

man ihn auch sehr häufig.

8:13

Einfach weil er da die Bodenbedingungen findet, die

8:16

Lichtbedingungen findet, die er braucht.

8:18

Und ja, ich muss ehrlich sagen, er sieht

8:21

echt schön aus, auch wenn er natürlich eigentlich

8:24

nicht in den Wald reingehört.

8:25

Aber es sieht echt schön aus, wenn er

8:27

jetzt so im Juni blüht und dann hat

8:32

man diese langen Blütenstände mit den lilanen, da

8:37

ist auch ein weißer mal dabei.

8:41

Sieht echt schön aus, das sind so wunderschöne

8:43

Farbtöpfe hier einfach auch in der Landschaft.

8:47

Und auch sonst wächst hier halt eine ganze

8:48

Menge.

8:49

Gras hatte ich schon genannt, Fingerhut, die Blaubeeren,

8:55

denen scheint es ganz gut zu gefallen, dass

8:57

ein bisschen mehr Licht da ist, weiß ich

8:59

gar nicht.

9:00

Doch, die scheinen sich jetzt hier auch ordentlich

9:03

auszubreiten, wenn ich mich umschaue.

9:06

Ich sehe ganz viele kleine Bäume, kleine Fichten,

9:11

kleine Kiefern, aber auch kleine Birken, Eschen, Buchen,

9:20

da drüben ist noch eine Eiche, die kommt,

9:24

da ist noch eine.

9:26

Ja, es ist alles das, was hier eben

9:30

drumherum in den angrenzenden Waldstücken wächst.

9:35

Und das kommt hier eben, man merkt halt

9:39

auch nur so gerade die schnell wachsenden Arten

9:42

wie die Esche, die kommt hoch und es

9:44

ist echt schön.

9:47

Es ist wieder echt schön hier zu sitzen

9:49

und ich bin sehr glücklich eigentlich, dass ich

9:54

es nicht wahrgemacht habe und nicht gesagt habe,

9:57

ich gehe hier nie wieder lang, sondern dass

9:59

ich hier wieder zurückgekommen bin und immer wieder

10:01

hierher komme, um zu sehen, wie sich der

10:05

Wald auch positiv verändert.

10:08

Und das kann ich euch einfach auch nur

10:11

empfehlen.

10:12

Also betrachtet den Wald, auch wenn es ein

10:14

Nutzwald ist, nicht immer nur als vom Menschen

10:20

gemacht, sondern es ist trotzdem auch noch ein

10:24

Biotop, es ist ein Ökosystem, es ist mit

10:29

Sicherheit keine Urwelt, es ist mit Sicherheit keine

10:31

Wildnis, aber sie kann jederzeit wieder zu einer

10:34

wunderschönen Wildnis werden.

10:37

Jetzt fängt es gerade an zu regnen, jetzt

10:39

muss ich mir mal noch ein separates Plätzchen

10:42

fürs Schlusswort suchen.

10:45

Ich habe mir jetzt noch mal ein kleines

10:46

anderes Plätzchen gesucht, bin geflüchtet nicht, so doll

10:54

regnet es eigentlich nicht, aber ich habe jetzt

10:56

irgendwie keine Lust mit dem Aufnahmeequipment im Niedelregen

11:02

zu sitzen, deshalb bin ich einfach 20 Meter

11:06

gegangen, da steht eine etwas größere Buche, die

11:10

ist auch noch nicht super alt, aber hat

11:13

ein schönes dichtes Blätterdach, da kommt gerade kein

11:15

Wasser durch.

11:18

Die Vögel hatten es jetzt auch überhaupt nicht

11:19

interessiert, dass es angefangen hat zu regnen.

11:21

Ich bin gerade irgendwie, ich will gerade nicht

11:23

nass werden.

11:28

Worauf wollte ich noch hinaus?

11:31

Es gibt manchmal Situationen, wo der Mensch Natur

11:40

ganz massiv zerstört und das ist eine absolute

11:44

Katastrophe und das ist unendlich traurig.

11:49

Also ich denke jetzt einfach an tropische Regenwälder,

11:54

die großflächig abgeholzt werden oder auch Wälder in

12:03

unseren Regionen, die einfach so kahl geschlagen werden,

12:08

weil halt irgendjemand meint, oh ja cool, da

12:10

kann ich ein bisschen Geld mitmachen oder da

12:12

stelle ich wieder irgendwas hin oder da muss

12:14

eine Ackerfläche hin.

12:18

Davon rede ich jetzt definitiv nicht, aber einfach

12:23

noch mal zusammenzufassen, dieser Ort hier hat mich

12:26

gelehrt, dass Natur nicht automatisch mit dem Auftreten

12:35

des Menschen endet.

12:38

Wenn der Forstarbeiter kommt, heißt das nicht, dass

12:43

die Natur komplett verschwindet, sondern dass sie sich

12:48

verändert.

12:50

Das ist wieder dieses Thema.

12:51

Ich hatte das in einem anderen Podcast eben

12:53

schon mal.

12:53

Der Mensch ist eben einfach nur eine Störung

12:56

und ich kann euch einfach nur einladen, seht

13:04

in der Natur etwas grundsätzlich Schönes und konzentriert

13:08

euch auf dieses Schöne, auf diese Kraft, auf

13:12

diesen Lebenswillen, auf diese positive Veränderung, zu der

13:17

die Natur möglich macht, zu der die Natur

13:22

eine Lage ist und seht diese Schönheit.

13:28

Seht nicht den Harvester, seht nicht den Waldarbeiter

13:33

als Feind, sondern seht einfach die Natur, glaubt

13:39

an die Natur und schaut auf das Schöne,

13:44

das was für euch schön ist und behaltet

13:46

das im Herzen, behaltet das auch in eurem

13:49

Kopf, weil das ist der Teil, der euch

13:54

gut tut, gegen die Waldarbeiter kann man eh

14:01

nur sehr bedingt was tun und die können

14:04

am Ende auch nichts dafür, sind auch nur

14:06

Menschen, die ihren Job machen.

14:10

Ich bleibe jetzt hier noch sitzen, ich höre

14:14

mir noch die Vögel an und euch wünsche

14:18

ich eine gute Zeit.

14:20

Geht raus in die Natur und sucht durch

14:23

euren Naturlieblingsort, egal wo er ist.

14:29

Es ist wunderbar, ob das in einem Park

14:32

ist, ob das eine Wiese ist, ob das

14:35

in einem Wald ist, sucht euch einen Naturlieblingsort,

14:39

den ihr regelmäßig aufsuchen könnt und an dem

14:43

ihr die Natur beobachten könnt, wie sie sich

14:46

verändert, wie sie da ist und geht da

14:51

regelmäßig hin.

14:52

Das wünsche ich euch und ich wünsche euch,

14:54

dass ihr so einen Ort findet.

14:56

Bis dahin, macht's gut, bis bald aus dem

15:02

Wald.