Zivilisationsgeräusche –  Wie perfekt muss Natur sein?
Ep. 02

Zivilisationsgeräusche – Wie perfekt muss Natur sein?

Episode description

In dieser Folge der Hängematten-Perspektive geht es um das vermeintlich Störende: Zivilisationsgeräusche mitten in der Natur.

Ich nehme dich mit auf einen Morgenspaziergang an den Rand einer Streuobstwiese. Zwischen Amsel, Zilpzalp und Buntspecht klingen auch Autos, Flugzeuge und ein bellender Hund durch – und genau das wird zum Thema.

Wie gehen wir eigentlich damit um, wenn die Natur nicht die perfekte Postkartenidylle ist? Wenn Störgeräusche auftauchen, in unseren Tonaufnahmen, aber auch in unserem Alltag? Ich erzähle dir, warum ich mich entschieden habe, diese “Unreinheiten” nicht herauszuschneiden – und was das mit Akzeptanz, Aufmerksamkeit und unserer Rolle als Menschen im Ökosystem zu tun hat.

Du erfährst, warum es manchmal gar nicht das perfekte Naturerlebnis braucht, um zur Ruhe zu kommen. Warum Konzentration auch mitten im Alltagsrauschen entstehen kann. Und warum es gut tut, sich wieder mehr dem Unperfekten zuzuwenden – in der Natur wie im Leben.

🐦 1. Merlin Bird ID – Die App für Vogelstimmen

Download transcript (.srt)
0:29

Einen wundervollen guten Morgen, hier ist wieder der Hanjo mit seiner Hängemattenperspektive,

0:35

was hat er gesagt, mit einem kleinen Spaziergang heute wieder, ein kleiner Morgenspaziergang,

0:44

einfach so ein bisschen durch die Gegend, ich habe jetzt gerade eben an einer kleinen

0:48

Streuobstwiese so eine Pause gemacht und einfach mal so ein bisschen Geräusche aufgezeichnet,

0:56

so einfach mal diesen Vogelgesang, den man jetzt ja hier im Hintergrund auch hört,

1:03

so ganz dominant war da so dieser Zilpzalp, der so Zilpzalp, Zilpzalp immer macht und dann auch der Amselgesang,

1:12

aber auch ganz viele andere Vögel irgendwo dazwischen, ich bin jetzt kein großer Vogelstimmenexperte,

1:18

ich nehme da immer auch eine App mit dazu, ich nehme die Merlin Bird ID, ich glaube,

1:31

es ist sogar ein Citizen-Science-Projekt, das heißt, das, was man da halt so aufzeichnet in

1:36

dem Moment, wird tatsächlich auch dann noch irgendwo verwendet, um zu schauen, okay, wo tauchen welche

1:45

Vögel auf und so, man macht also gleichzeitig mit dem, was man da tut, auch noch was Sinnvolles und

1:59

da kam so ein bisschen der Gedanke, wenn ich das so aufzeichnete, Mensch, im Internet gibt es das

2:04

ja eigentlich ganz viel, man kann sich ganz viel so Naturgeräusche runterladen und anhören,

2:12

so ein bisschen als Hintergrundmusik, ich mache das manchmal auch gerne, gerade wenn ich mich richtig

2:17

in irgendein Thema vertiefen will, dazu jetzt aber gerade mal nicht rausgehen kann aus dem Haus,

2:28

weil es vielleicht gerade irgendwie übelst regnet oder hier landkalt ist und man jetzt auch nicht

2:34

dann irgendwie lange draußen verbringen will und dann mache ich mir einfach im Hintergrund ein

2:43

bisschen so Naturgeräusche an und was mir da jetzt so eben beim Aufzeichnen eben so auffiel, ich bin

2:50

jetzt hier nicht sonderlich weit weg von der Zivilisation, ich kann von hier aus Häuser sehen,

2:59

ich bin hier halt auf so einer Streuobstwiese am Rand des Ortes und das heißt, hier sind auch nicht

3:10

nur der Vogelgesang und Stille, sondern hier sind halt auch Zivilisationsgeräusche mit

3:18

dabei, also da fährt man irgendwo ein Auto oder fliegt ein Flugzeug drüber, da weht der Wind aus

3:25

der Ferne so die Geräusche von der Autobahn mit rüber und das fiel mir tatsächlich gerade so ein

3:34

bisschen auf, dass in solchen Aufzeichnungen im Internet diese Geräusche immer weg sind, also

3:40

das ist da nicht drin, also entweder man hat halt wirklich solche cleanen Naturaufzeichnungen,

3:48

die ganz weit weg von der Zivilisation gemacht wurden oder teilweise dann eben noch das ganze

3:56

mit Musik untermalt und ich merke dabei zum Beispiel einfach, dass mir Punkt 1 erstmal die

4:04

Naturgeräusche reichen, also diese Musik brauche ich gar nicht unbedingt noch dazu, das heißt nicht,

4:10

dass ich Klaviermusik, Streichmusik oder auch Handpan-Musik oder so nicht mag oder so,

4:19

überhaupt nicht, im Gegenteil, aber so für dieses beruhigende Gefühl, bei dem ich mich gut

4:27

konzentrieren kann, brauche ich das eigentlich gar nicht, brauche ich nur diese natürlichen

4:32

Geräusche. Ich würde fast so weit gehen, dass ich mich dabei dann sogar noch besser konzentrieren kann,

4:38

aber das ist sicherlich jedem seine eigene Sache. Und die zweite Sache, die mir dabei so ein bisschen

4:44

aufgefallen ist, ist eben, dass in diesen Aufzeichnungen, die man so im Internet findet,

4:50

vor allem so in den längeren, dass da eben diese Zivilisationsgeräusche ganz oft fehlen.

4:57

Ja, da steht jetzt gerade ein Hund noch so im Hintergrund, nach dem Horchen, ob das da drin ist.

5:04

Jetzt sehe ich hier gerade vielleicht vier Meter weg einen Buntspecht am Baum sitzen.

5:11

Richtig schön, kann man so richtig schön erkennen, so der weiße Bauch, der schwarze Kopf. Da drüben ist

5:18

auch noch die Frau Buntspecht wahrscheinlich dazu oder Herr Buntspecht, ich kann es gerade nicht

5:22

unterscheiden, wenn ein Männchen ein Weibchen ist, aber ganz klar zu erkennen nur die schwarze Obergefieder,

5:28

weiße Brust und roter Hintern. Das ist richtig herrlich und die haben es hier richtig gut.

5:35

Das ist gerade auch noch so ein alter Obstbaum, der schon zum Teil abgestorben ist. Ja, das ist eigentlich ein

5:42

recht schöner Weg hier, wo keine große Holzwirtschaft betrieben wird. Gut, aber ich bin abgekommen von

5:50

den Zivilisationsgeräuschen. Entschuldigt bitte, aber das gehört hier einfach zu meinem Podcast dazu,

5:56

soll dazugehören. Ich mache den draußen, das auf jeden Fall und ja, dann sehe ich irgendwas und dann will ich

6:02

das auch erzählen und euch weitergeben. Deshalb jetzt zurück, Zivilisationsgeräusche. Warum mir

6:11

das jetzt so bewusst wurde, war halt einfach, okay, wenn ich das jetzt aufzeichne und das vielleicht

6:17

auch mal als so Episoden hier beim Podcast zwischenstreuen will, so eine Idee von mir, einfach

6:23

ab und zu mal ein Podcast ohne Gequatsche, wo man einfach nur Geräusche hören kann und sich einfach

6:28

nur an den Geräuschen erfreuen kann. Da habe ich jetzt auch überlegt, was mache ich denn jetzt? Suche ich

6:34

mich jetzt immer, muss ich dafür immer ganz weit weg gehen, bis ich einen Ort finde, wo keine Autos

6:45

sind, keine Menschen sind, keine Störgeräusche sind, muss ich mich dann doch hinschneiden und

6:50

das Bellen vom Hund, das Knattern vom Motorrad rauscutten? Oder gehört das nicht eben auch

6:58

alles dazu? Meine Vorstellung an der Stelle ist ja eben schon, also irgendwo gehören wir ja als

7:07

Menschen zur Natur dazu. Also eigentlich nicht nur irgendwo, sondern eigentlich immer und auch

7:12

nicht eigentlich, sondern wir gehören zur Natur dazu. Wir sind genauso Lebewesen dieses Planeten,

7:21

wir gehören zu dem Ökosystem dazu und in irgendeiner Form müssen wir uns vielleicht

7:27

irgendwann mal entscheiden, ob wir eher symbiotisch mit dem System leben oder ob

7:33

wir parasitär damit leben. Müssen wir uns wahrscheinlich irgendwann mal als Menschheit

7:38

entscheiden. Aber das ist noch mal ein ganz anderes Thema. Für diese Aufzeichnung habe ich

7:44

mich jetzt auf jeden Fall entschieden, die Störgeräusche gehören dazu. Die müssen sein, weil es sind

7:50

eigentlich keine Störgeräusche. Es sind genauso Naturgeräusche, es sind die Geräusche, die wir

7:54

Menschen machen. Was jetzt nicht heißt, dass ich mich hinsetze und Autobahnen aufnehme und einspiele,

8:02

das ist das überhaupt nicht. Im Gegenteil, mir geht es schon um den Vogelgesang. Aber ich finde, wenn

8:10

man sich für den Gesang der Vögel interessiert und genau das habe ich ja auch gemacht. Ich habe das

8:14

Mikrofon nur hingelegt, habe das aufzeichnen lassen, habe mich einfach daneben gesetzt. Die Sonne kommt

8:20

jetzt auch hier zurzeit gerade raus, habe mich in die Sonne gesetzt, habe mir ein bisschen diese

8:26

Wärme genossen. So, jetzt habe ich mal ganz kurz noch ein Foto gemacht gehabt. Ja, habe mich hier hingesetzt und

8:38

einfach ein bisschen die Sonne genossen und den Vögeln gelauscht. Das Schöne ist, dabei habe

8:47

ich eigentlich diese ganzen Umgebungsgeräusche irgendwann auch gar nicht mehr so richtig

8:52

wahrgenommen. Also waren schon irgendwo da, aber ich habe mich einfach auf die Vögel konzentriert. Ich

9:03

habe versucht, so im Kopf ein bisschen die einzelnen Vogelstimmen auseinander zu halten und so ein

9:08

bisschen zu lauschen. Was höre ich denn jetzt hier? Was sind denn da? Welche sind da? Ich habe nebenbei

9:15

mal ein fixes Handy rausgeholt und mir eben meine Vogelstimme-App angeschaltet und mal so ein

9:21

bisschen geguckt. Welche Stimmen sind denn das jetzt? Welche zeigt er mir jetzt gerade an? Was

9:25

höre ich? Die schreien hier rum, krass. Da ist auch wieder Specht, wunderschön. Ja, und war mir jetzt

9:42

eigentlich egal, dass da irgendwo ganz im Hintergrund halt dieses Motorenrauschen von der Autobahn ist,

9:47

dass mein Hund gebellt hat. Das gehört für mich einfach dazu. Ich habe mich auf die Vogelstimmen

9:53

konzentriert und die sind schön. Und das ist das, was wir Menschen manchmal, glaube ich, auch wieder

9:57

lernen müssen oder daraus auch lernen können. Nämlich, es ist gar nicht so wichtig, sich die

10:09

perfekte Erfahrung herauszusuchen. Ja, also es ist gar nicht so wichtig, die perfekte Erfahrung zu

10:17

haben, wo alles stimmig ist, wo wunderschöne Natur drumherum ist, wunderschönes Wetter drumherum

10:22

ist, nur Naturgeräusche zu hören, wenn man ganz alleine und einsam ist. Das braucht es manchmal gar

10:28

nicht. Das muss manchmal gar nicht sein. Und das vergessen wir halt. Und das finde ich, ist tatsächlich

10:36

so eine Fähigkeit, die wir als Menschen auch mal wieder lernen sollten, lernen müssten.

10:48

Eben einfach auch mal das Unperfekte wieder hinzunehmen. Also zum einen das Streben,

10:54

immer selber alles perfekt machen zu wollen. Den perfekten Podcast, die perfekte Tonaufnahme,

11:01

das perfekte Foto. Und auf der anderen Seite aber eben auch nicht immer das Perfekte zu

11:08

erwarten. Den perfekten Urlaub, den perfekten Urlaubsort, den perfekten Kaffee. Ich glaube,

11:17

dann wird es uns erstmal ein ganzes Stückchen besser gehen. Wir könnten einfach mal, keine

11:23

Ahnung, 50 Jahre exponentielles Wachstum einfach mal reinsparen. Die Natur hat so mega krasse

11:38

Dinge, die sie uns zeigen kann. Zum Beispiel hier, ich bin jetzt hier, sind so Eichen. Da stehen so eine

11:49

ganze Reihe von Eichen, die sind garantiert irgendwann mal gepflanzt worden. Und denen geht es

11:55

tatsächlich nicht gut, glaube ich. Die sind ganz schön eingefressen, so viele der unteren Äste

12:01

vor allem. Die sind morsch, da ist die Rinde schon ab. Aber stehen halt trotzdem noch hier.

12:09

Die sind halt nicht mehr perfekt. Das sind halt relativ alte Bäume vom Umfang, keine Ahnung,

12:16

ich kann das ganz schlecht einschätzen, aber auch keine 100 Jahre würde ich denken,

12:21

dass die hier halt an diesem Pfad stehen. Den sieht man halt einfach an. Der Standort

12:28

ist wahrscheinlich nicht so ideal gewählt gewesen. An den Bäumen nagt halt mit Sicherheit

12:37

auch das Klima. Aber es sind trotzdem noch Bäume. Die stehen noch hier, die wachsen noch, die sind

12:44

noch vital in sich drin und die leben einfach weiter. Ich glaube, damit werde ich es heute mit

12:55

dem Podcast einfach auch belasten. Ich wandere jetzt hier noch ein bisschen weiter. Ich freue

12:58

mich, dass die Sonne rausgekommen ist. Ich drehe jetzt hier noch eine Runde und werde dann nach

13:04

Hause gehen. Dann werde ich mir den Podcast hier einmal anhören, ob da irgendwas total kaputt

13:10

gegangen ist. Und wenn nichts total kaputt gegangen ist, dann werde ich die Folge einfach für euch

13:16

online stellen, so wie sie eben gerade ist. Das ist gut so. In dem Sinne, ich wünsche euch eine

13:29

schöne Zeit. Ich hoffe, ihr könnt ein bisschen einen Impuls mitnehmen aus dieser Folge. Und ich

13:37

wünsche euch eine gute Zeit. Bis zum nächsten Mal. Ich bleibe hier jetzt einfach mal kurz noch eine

13:43

Minute oder so stehen, lasse euch einfach nur noch die Hintergrundgeräusche. Bis zum nächsten Mal. Euer Hanjo. Ciao.